In derart aufsässigen Zeiten wie wir sie heute allerorts antreffen… Pfiffe gellten durch den Saal… schleich di, rief einer… behalt dein Schmarrn für dich, plärrte ein anderer. Der Redner sah ein, dass es unter diesen Umständen aussichtslos war, faltete sein Skrip, steckte es in die Tasche und verließ das Podest, vor sich hinmurmelnd, wie sinnlos es sei, seine Ideen vor Suffköpfen und Banausen auszubreiten.

Ein Spur zu laut und so entkam er nur knapp dem Wurfgeschoss in Form eines ausgewachsenen Maßkruges, der stattdessen den neben dem Redner  einher auf den Ausgang zueilenden katholischen Pfarrer traf. 

Ja, bist deppert, dröhnte es aus der Menge, des war da Hochwürden!

Macht a nix, hätte man die Antwort vernehmen können, wenn nicht mittlerweile das allgemeine Stimmengewirr die Ausmaße eines schweren Orkanes angenommen hätte, is eh koana von uns. Zwar a Schwarzer, aber net von de Schwarzen! Sogar das daraufhin anhebende Gebrüll durchdrang den Lärmpegel nicht mehr.

Bald saßen sie alle wieder um die Tische, beruhigten sich etwas, bestellten ihr Bier und Deftiges aus der Küche. Was war den des überhaupt für a Kasperl? A Spezi vom Pfarrer, soviel i woaß a Roter oder a Grüner, antwortete einer. 

San zvuie von dene umadum. Früher hats des net geb’n. Da waren mia doch alle einer Meinung oder etwa net?

Und jetzt werdens immer no mehra. Von überoi kummas eina, aus’m Arabischen, aus Afrika und was woaß da Deife, wo no her!

Ein paar Augenblicke später kam der katholische Geistliche zurück ins Wirtshaus. Geh, hock di her und nix für ungut, in moan, wega dem Kriagl!

Ist schon gut, sagte der aus dem Senegal stammende Geistliche in klarem Schriftdeutsch. Ich verstehe nur nicht, warum ihr alle immer so schnell ungehalten seid. Der Mann wollte euch doch nur ein paar Gedanken, politische Gedanken wohlgemerkt, erläutern. Jetzt vor der Wahl…

…genau das ist es eben, wir brauchen und wollen hier keine Belehrungen. Wir wählen das, was wir schon immer gewählt haben und unsere Eltern und Großeltern und so weiter.

Bei uns gibt es keine aufsässigen Zeiten, wie der Redner andeutete, bei uns, da ist die Welt in Ordnung. Vielleicht in Berlin oder anderswo, aber net hier!, ergriff ein anderer am Tisch das Wort und der Herr Pfarrer wunderte sich, dass es hier doch noch Menschen gab, die sich in einer verständlichen Sprache ausdrücken konnten, sagte aber wohlweislich nichts dergleichen.

Und des ganze Gesocks, des jetzt von überall her hier herein drängt!

Aber meine Freunde, mischte sich der geistliche Würdenträger ein, der einzige Fremde weit und breit das bin doch nur ich! Ich mein ja bloß, bemerkte der Vorredner.

Gegen den Senegalesen hatten sie nichts. Er fügte sich ganz gut ein, half, wo er nur konnte und ließ die Frauen in Ruhe, wie sie es eben hier von einem Pfarrer erwarteten.

Schaut, sagte der Pfarrer und blickte dabei jedem rundum in die Augen, genau das ist eines der Probleme. Es wird immer viel erzählt und behauptet, aber eine schlechte Erfahrung hat kaum einer mit Leuten von außerhalb oder sagen wir mit Fremden, wirklich gemacht.

So wogten die Worte hin und her und der zunehmende Bierkonsum ließ den Geräuschpegel schnell wieder ansteigen. Mit hochroten Köpfen sassen sie sich gegenüber, warfen mit allerlei Grobheiten um sich und beschimpften die da oben. 

Man weiß ja gar nicht mehr, was wahr ist und was erfunden oder verfälscht. Vieles wird verschwiegen oder nur halbwahr dargestellt.

Da hast wohl recht und ich glaub, da liegt einiges im Argen. Wir sind ja net blöd, bloß weil mir vom Land san.

Des gilt für die von da Stadt genauso oder moanst, für die schreibens a extra Zeitung?

Manchmal schon. Die ham de Süddeutsche und so, wir aber doch bloß die regionalen Kasblattln, net war?

An Spiegel oder an Focus kannst hier a kaufen oder net?

Und du moanst, de wissens immer ganz genau? De schreiben doch a bloß, was sie von einer Nachrichtenagentur vorgekaut bekommen oder was sie glauben, dass ihre Leser am liebsten hören…

…oder was ihre Inserenten, Herausgeber oder Chefredakteure gerne lesen wollen. Da passt halt vielleicht des eine oder andere net, dann lassen sie’s halt weg oder schreibens so, wie’s passt!

Oder de Bildzeitung: Die bringens mal so und dann wieder anders. Erst jubelns einen hoch und dann haun’sn in’d Pfanna!

Der Herr Pfarrer aus dem Senegal hatte allen noch freundlich zugewinkt und war zurück in seine Pfarrei gegangen. Eigentlich wollte er ihnen heute sagen, dass er nicht mehr lange hier sein würde. Die Pfarrei würde wieder in Bayerische Hände gelangen. Ihn aber würden sie in eine neue, verwaiste Gemeinde schicken. Ist schon komisch, dachte er, kaum bin ich irgendwo halbwegs heimisch geworden, muß ich weiterziehen.

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