Ein verendeter Hund könnte, so möchte man meinen, im Bayerischen als a verreckter Hund bezeichnet werden. Das wär‘  durchaus  berechtigt, weil, wie jedermann weiss, die Bayerische Umgangssprache, auch Dialekt genannt, nicht besonders zimperlich mit der Wahl ihrer Worte umgeht. Wo hingegen die gleiche Bezeichnung vom Tier entlehnt auf den Menschen übertragen eine völlig andere Bedeutung annimmt. Aber der Reihe nach!

Es soll, so wird berichtet, in Bayern einmal einen Ministerpräsidenten gegeben haben, in dem viele der angestammten Landsleute, also jenem Teil der Bevölkerung, der nachweislich schon seit mehreren Generationen aus Bayern stammte, so etwas, wie den Ersatz des vielgeliebten Königs Ludwig II sahen. Und es gab nicht wenige, die eben von diesem Ministerpräsidenten behaupteten, er sei scho a Hund a verreckter g’wesn. Was war geschehen? Grammatikalisch gesehen ist es einfach zu erklären. Das Nomen Hund wird dem Adjektiv verreckter vorangestellt, und als Besonderheit je ein kleines vor Hund und verreckter gesetzt. Und schon ist nicht mehr der eingangs erwähnte verblichene Hund gemeint, sondern ein Mensch, der mit allen Wassern gewaschen ist und es versteht, so Manches zu seinem Vorteil umzumünzen. Dabei wird grosszügig akzeptiert, ja sogar unterstellt, dass dies durchaus zu Lasten eines anderen gegangen sein konnte. Zum Verständnis: Nicht win, win prägte die Situation, das kam erst später aus dem Angelsächsischem, sondern der so genannte verreckte Hund hatte seinen Widerpart über den Tisch gezogen oder sich auf andere Weise einen, durchaus nicht immer legalen, Vorteil verschafft.

Der besagte Ministerpräsident herrschte über Bayern wie ein Monarch, wird erzählt. Und die, die es berichten, sagen es, nicht ohne Stolz, mit einem Zittern in der Stimme. Manchem quetscht sich sogar eine verborgene Träne der Ergriffenheit ins Auge. Als er eines Tages ohne Ankündigung dahin gegangen war, ist die Trauer gross und man verabschiedete ihn mit einem Staatsakt, der so manchen echten Fürsten erblassen liess.

Dies rührte wohl daher, weil es so viele vareggde Hund nicht gab. Leider, wie die Alten aus dem Volksstamm hinzufügen würden.  Ein verreckter Hund zu sein, ist eben etwas Besonderes und wird nicht leichtfertig vergeben. Ein Nordlicht hat einmal gemeint, diesen Ausdruck mit Bauernschläue übersetzen zu müssen. Aber, man kann ihm daraus keinen Strick drehen, denn woher sollte er den vollen Umfang seiner Bedeutung auch kennen?

Als der Ministerpräsident eines Tages in New York weilte und ihm in einem zwielichtigen Viertel seine Brieftasche abhanden gekommen war, regte die Menschen nicht die Tatsache auf, was er dort zu suchen gehabt hätte, sondern die Dreistigkeit der niemals gefassten Täter, die es gewagt hatten, ihrem geliebten und verehrten Idol so nahe zu kommen.  Einmal wurde erzählt, der Ministerpräsident sei von einem seiner zahlreichen industriellen Freunde in dessen Privatvilla eigeladen worden und, noch verwerflicher, er habe zur Anreise sogar dessen Privatflugzeug benützt. Welch ein Sumpf, titelte eine Zeitung, die wohl dem Ministerpräsidenten und dem ganzen Bayerischen Volk dieses Privileg neidete und deshalb eins auswischen wollte. Man sagt sogar, der Ministerpräsident hätte, als er noch gar kein Ministerpräsident gewesen war, seine Kompetenzen überschritten, indem er in einer völlig anderen Funktion als Minister angeordnet habe, die Räume eines politischen Magazins zu durchsuchen.

Na wenn scho, sagten die Leute in Bayern, wead scho an Grund g’habt hom, ned wahr?, und meinten damit, es sei völlig abwegig, dem Mann aus Bayern etwas Unlauteres unterstellen zu wollen. Irgend wann wurde sogar einmal gemunkelt er sei in dubiose Machenschaften um die Beschaffung von Waffensystemen verwickelt. Das konnte doch nur von Subjekten gestreut worden sein, die grundsätzlich gegen alles waren, was aus Bayern kam.

Wenn einer solcher Art Anfeindungen und Geschichten übersteht, und sogar nachher noch gestärkt aus dem Ganzen hervorgeht, dann wird er zurecht als a verreckter Hund bezeichnet. Und jedermann des alten Volksstammes fühlt ein wenig dieser unbändigen Kraft in sich aufkeimen. Wenn’s nur mehra vo soichane gehm dat!, hört man sie seufzend sagen, und sie klagen, dass diese Zeiten vorbei wären und nicht wieder kämen.

Als Jahre danach einer seiner Nachfolger im Amt einmal etwas Ähnliches ausprobierte und die privaten Flugdienste eines  Freundes in Anspruch nahm, und erzählt wurde, es habe zu allem Überfluss auch noch private Einladungen gegeben, war’s schon vorbei, die alte Zeit. Er hat es nicht überstanden und musste abtreten. Er war eben kein verreckter Hund gewesen, auch, wenn er das vielleicht von sich selbst geglaubt hatte. Einen Titel hat er trotzdem bekommen: Amigo! Ja, so nannten sie ihn und beinahe hätte es noch einen anderen mitgerissen, aber da hatte der seinerzeit mit königlichen Ehren zu Grabe getragene Ministerpräsident gerade noch rechtzeitig aus dem Jenseits seine schützende Hand über ihn gehalten. Und so durfte dieser Mann bald darauf, als Nachfolger des Amigo, auch Ministerpräsident werden.

Man weiss nicht mehr so genau, ob der nun Erste Mann im Freistaat beim Volk genau so beliebt gewesen ist, wie einst jener mit der schützenden Hand, aber man kann sich noch sehr gut daran erinnern, dass auch er eines Tages gehen musste. Nicht, weil er ein verreckter Hund gewesen wäre, dazu fehlten ihm alle Attribute. Nein, er musste gehen, weil er die Macht einer Landrätin unterschätzte und nicht mehr gewärtigte, dass sich ein Sumpf aus Intrigen um ihn herum aufgetürmt hatte.

Darum ist es besser, in Bayern entweder ein verreckter Hund zu sein oder einen anderen Beruf, als den des Ministerpräsidenten, zu ergreifen.

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