Als die Sonne langsam am Firmament hochstieg, erschien sie durch den reißenden Morgennebel auf den winterlichen Feldern unwirklich verzerrt und glich eher einer zerfaserten, ausgefransten Orange, als dem Glutofen, der sie ist. Auf dem Marktplatz von Dingharting rührte sich um diese Zeit noch nichts. Träge lag er da. Von sanftem Wind getriebener Pulverschnee bildete auf dem alten Kopfsteinpflaster feine Anhäufungen, die sich, Wellen gleich, über den ganzen Platz verteilten.

Außerhalb des Ortes, in den Bauernhöfen, herrschte dagegen bereits rege Betriebsamkeit. Die Ställe waren auszumisten und das Vieh zu füttern. Da und dort kündete Maschinenlärm noch von anderer Arbeit auf dem Hof. Bauernfamilien und Knechte kannten nicht den Luxus der Städter, spät ins Bett zu gehen und am Morgen faul liegen zu blieben, um auszuschlafen. Tagein tagaus gingen sie ihrer Arbeit nacht. Sieben Tage in der Woche. 365 Tage im Jahr. Keinen Urlaub, immer nur Arbeit.

Ihre Körper waren von der schweren und oft auch entbehrungsreichen Arbeit gezeichnet, denn viele der Höfe warfen einfach nicht genug ab. Es gab allerdings auch große und reiche Bauern. Unter ihnen waren nicht selten solche anzutreffen, die schamlos jede Gelegenheit ausnutzten, um den Kleinen und Armen den Hahn abzudrehen. Da halfen sie gerne zusammen, die Noblen, und waren froh, wenn es wieder einen Falotten, wie sie das Gewürm nannten, weniger gab im Dorf.

Der Steigerbauer war einer jener kleinen, nichtsnutzigen Dorfschaben, auf dessen Land der Gutsbesitzer Firnthaler schon lange ein Auge geworfen hatte. Wenn der Steigenbauer samt Weib und Kinder aus dem Dorf verschwänden, wäre es gerade recht gewesen. Ein Gschmoaß, das kaum ihre Felder bestellte und nur missliches Vieh auf die Weide trieb, so dachten die Großen.

Jetzt wollte es die Zeit, dass eines Tages jener Gutsbesitzer des Weges kam und justament ganz in der Nähe vom Steigenbauer einen Platten fuhr. Er schlingerte noch ein wenig die Fahrbahn entlang, rammte irgend etwas und kam dann zum Stehen. So ein Mist, entfuhr es dem noblen Herrn. Der Schaden regte ihn weniger auf als die Tatsache, dass er ausgerechnet hier fest hing, wo es weit und breit keine Hilfe gab. Der Rums war ein Felsen am Straßenrand gewesen, und da half alles Fluchen nichts, weiterfahren konnte er nicht mehr.

Gerade, als er zum Telefon greifen wollte, sah der Firnthaler einen Traktor des Weges kommen. Auch das noch, entfuhr es ihm, als er sah, wer da direkt auf ihn zufuhr. Grüss Sie Steigerbauer, sagte Firnthaler, als der Traktor auf gleicher Höhe mit ihm war und angehalten hatte. Ja der Herr Gutsbesitzer Firnthaler, erwiderte der Steigerbauer, und fügte spöttisch hinzu:  Haben’s etwa Ihr schönes Auto ein wenig zu weit nach links gesteuert, obwohl wir doch hier bei uns immer ganz rechts fahren sollen?

Der Firnthaler kochte. Musste er sich von diesem Hinterfotz auch noch verspotten lassen. Er schluckte seinen Ärger hinunter und fragte, so freundlich, wie er nur konnte, ob ihn der Steigerbauer nicht mitnehmen könne. Steigens auf, ich fahr‘ nach Dingharting. Muss sowieso da hin. Firnthaler stieg auf den Traktor und quetschte sich auf den unbequemen Notsitz über dem rechten Radkasten. Er, mit seinem feinen Anzug, auf diesem vor Schmutz nur so strotzendem Gefährt. Das war aber noch nicht alles. Zahlreiche Gaffer säumten die Straße in Dingharting und machten sich einen Spaß aus seiner misslichen Lage.

Was er so alles zu hören bekam: Ob der Steiger, jetzt einen neuen Knecht habe oder, ob er, der Firnthaler, mit dem Steiger einen neun Busenfreund gefunden hätte, und so weiter. Nur mühsam konnte  er sich beherrschen.

Der Steigerbauer genoss es ganz offensichtlich, den Firnthaler so vorzuführen, denn ein breites Grinsen überzog sein derbes Gesicht. Da, plötzlich, ein Ball, und gleich darauf die kleine Tannenberger Resi! Starr vor Schreck, hielten die Leute die Luft an. Kein Spott mehr und kein Frotzeln! Schreckensbleich sahen sie vorher, was unweigerlich kommen musste. Entsetzt schrie einer: Um Gottes Willen, die Resi! 

Als nächstes sahen die Leute, wie der Firnthaler in hohem Bogen vom Traktor flog und im Staub der Straße liegen blieb. Die Resi dagegen freute sich überschwänglich, dass ihrem geliebten Ball nichts passiert war, nahm ihn, und sprang zurück in den Garten, aus dem sie zuvor herausgestürzt war.

Der Steiger war immer schon ein vorausschauender Mensch gewesen, und so reagierte er einfach logisch: Wo ein Ball, ist auch ein Kind nicht fern!, signalisierte sein Gehirn instinktiv, und er trat sofort mit voller Kraft auf die Bremse. Der Firnthaler, dem jene  Lebensweisheit des Steigerbauern nicht zu eigen war, merkte deshalb viel zu spät, was gleich geschehen würde. Und so flog er auch schon, bevor er sich es noch versah, und lag im Dreck auf der Straße.

Vorsichtig erhob sich der Firnthaler, klopfte Schmutz und Staub von seinen Kleidern, schaute benommen drein, und fragte schliesslich, was geschehen sei. Ja, Firnthaler, sagte einer, weisst es nicht. Runtergehauen hast dich vom Steiger seim Traktor! Der Firnthaler blickte den Mann völlig belämmert an, und es war für jedermann erkennbar, dass er nicht verstand, was man  soeben gesagt hatte.  Ich versteh‘ net, sagte er nach einer Weile, wer is der Firnthaler, und von welchem Traktor sprechen Sie? 

Die Leute tuschelten, und einer meinte: Do legst di nieda! Den hots sauba dawischt. Der woass nix mehr, ned amoi, wer a selba is!  Ich nimm eam mit hoam. Schickts an Doktor außa zu mia!, sagte der Steiger und bedeutete dem Firnthaler, sich wieder auf den Traktor zu setzen. Der tat, wie ihm geheißen und setzte sich auf den Behelfssitz, wo er zuvor schon gesessen war.  Der Steiger wendete, und fuhr zurück, auf seinen Hof.

Dort angekommen, bugsierte er den Firnthaler in die Stube, sagte, er solle sich setzen, holte einen Bogen Papier, und von irgendwo her einen Kugelschreiber. Er drückte dem Firnthaler den Stift in die Hand und sagte, er solle schreiben, was er ihm gleich diktiere. Der Firnthaler schaute verständnislos, tat aber, was der Steigerbauer von ihm wollte. Dann unterzeichneten sie beide das Schriftstück. Als Datum fügte der Steiger eines ein, das drei Wochen früher lag.

Der Tag verging und die Nacht zog herauf. Der Firnthaler lag im Bett einer Kammer, die normal für Bedienstete gewesen wäre, wenn der Steigerbauer sich solche hätte leisten können. Der Doktor war da gewesen und hatte gemeint, das würde schon wieder vorübergehen. Der Gedächtnisverlust käme vom Sturz, aber er würde nicht sehr lange andauern.

Als der Firnthaler am nächsten Tag, immer noch leicht benommen, wieder zu sich kam, wusste er zwar wieder, wer er war, aber an den Sturz vom Traktor konnte er sich nicht erinnern. Und so zogen die Tage ins Land, und kaum mehr einer sprach über den Vorgang. Die Leute vergessen schnell, wenn ein Ereignis für sie nicht wichtig war oder sie noch nicht einmal betraf.

Beinahe hätte alles wieder seinen gewohnten Gang gehen können, wäre da nicht das Schriftstück gewesen. Eines Tages, nur ein paar Wochen später, stattete der Steiegerbauer dem Firnthaler nämlich einen Besuch ab und legte ihm das besagte Schriftstück unter die Nase, und sagte: Was ist jetzt, Firnthaler, du wolltes doch zum Notar! Ich hab‘ aber bis jetzt nix mehr g’hört von dir, und vom Notar auch net! Der Firnthaler schaut verständnislos auf den Steiger und verstand nicht, was dieser von ihm wollte. Was willst denn überhaupt von mir?, fragte der Firnthaler ungehalten. Ja, was soll denn des jetzt? Du hast mia doch de zwoa gross’n Wiesen unten am Bach versprochen. Damit’s mir wieder besser geht und der Ertrag steigt. Weil du sie eh net mehr brauchst, hast g’sagt, und dann ham mia des schriftlich g’macht. Damit’s verbrieft ist, hast g’sagt. Und dann hama ei’gschlong, ganz, wia’s der Brauch ist. 

Eingeschlagen haben wir?, fragte der Firnthaler immer noch fassungslos, ob der Dinge, die da auf ihn zukamen. Die zwei großen Wiesen?, das waren die besten, die er besaß, und diese sollte er dem Steiger versprochen haben? Er schüttelte den Kopf, aber das Schriftstück log nicht. Es trug seine Handschrift und seine Unterschrift. Zefix!, entfuhr es ihm, da war nichts zu machen.

Und so ist aus dem Nichtsnutz Steiger ein wohlhabender Bauer geworden, den alle respektierten. Nur einer rätselt bis heute, was ihn seinerzeit geritten hatte, einen derartigen Handel zu machen. Zwei seiner besten Wiesen, und umsonst! Der Firnthaler schüttelt oft den Kopf über so viel Blödheit, die ihm da widerfahren war und verstand sich dann selbst nicht mehr.

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