Der Lehnthaler gehörte zu den Alteingesessenen. Manche vom Ort hatten sogar noch seinen Urgroßvater gekannt. Die Severina Baumgartner zum Beispiel, die selbst schon über hundert Jahre zählte, und von der niemand mehr mit Bestimmtheit zu sagen wusste, wie sie zu ihrem doch seltsam klingenden Vornamen gekommen war. Die Leute erzählten, es sei wegen ihrer Blutsverwandtschaft mit Familien aus dem fernen Rom gewesen. Der Vater ihres Urgroßvaters, also ihr Ururgroßvater, soll nämlich seinerzeit eine von da unten geehelicht haben. Und quasi als Reminiszenz an jene Vorfahren sei ihr der Name gegeben worden. Andere meinten, es sei einfach daher gekommen, weil Severinas Vater Münzen gesammelt hätte, und eines Tages von einer Münze gehört oder sie sogar besessen habe, auf der das Konterfei einer Ulpia Severina abgebildet war, die die Ehefrau des römischen Kaisers Aurelian gewesen ist.

Wie auch immer, der Lehnthaler hielt sehr viel auf Brauchtum. Das hatte er so von seinem Vater übernommen, der es wiederum von seinem Vater überliefert bekommen hatte, und so fort.  Nun, heute, am 24. Dezember, begann die Zeit der Rauhnächte, die bis Heilig Drei König, also bis zum 6. Januar, andauerten. Schauriges geschah in dieser Zeit, wie der Lehnthaler nur zu genau wusste. Obwohl man eigentlich sagte, dies sei die heilige Zeit, war es doch so, dass wildgewordene Dämonen durch die Lüfte zogen, und besonders in den Nächten vom 24. auf den 25. Dezember und vom 5. auf den 6. Januar ihr Unheil verbreiteten und den Menschen bösen Schaden zufügen wollten.

Weil der Lehnthaler aber eine gute Hand im Umgang mit diesen schaurigen Gewalten besass, kamen sie von überall her, fragten ihn um Rat, und kauften ein Säckchen mit besonderem Räucherwerk. Der Lehnthaler tat’s gern und erklärte den Leuten, wie sie es machen mussten. Seinen Anweisungen war auf das Genaueste Folge zu leisten, andernfalls hätte es nicht nur nichts genützt, sonder die Kraft der ungestümen Bösewichte ins Unermessliche gesteigert.

Der Lehnthaler selbst verwendete stets die gleiche Pfanne aus Eisen, legte da hinein  einige Stücke glühender Kohle, die er seit Mitternacht des Vortages am Glimmen und Kokeln hielt, legte darauf ein paar Stückchen Räucherwerk und zog damit durch Haus, Stall und Scheune. Diesen Vorgang wiederholte er mehrmals während der Rauhnächte, und besonders in den beiden kritischen Nächten qualmte es aus allen Ecken seines Anwesens.

Nun geschah es exakt in der Nacht auf den 25. Dezember, dass in den Morgenstunden, als es noch dunkel war, und kein Schimmer das nahende Tageslicht verkündete, plötzlich in weiter Ferne ein Feuerschein das Firmament erhellte. Kurze Zeit später nur läutete die Glocke der Dorfkirche, wie wahnsinnig geworden, Alarm. Die jungen Burschen waren die ersten, gefolgt von den älteren Männern, die sich am Feuerwehrhaus einfanden. Mit Getöse und Tatütata fuhren die Wagen ab. Bauern und Knechte folgten auf Traktoren mit allen möglichen Werkzeugen bewaffnet. Der Hirsbauer brannte, und da kamen alle, um zu helfen.

Den Stall und das Wohnhaus konnten die Helfer den wütenden Flammen entreißen, aber die Scheune brannte zu einem Grossteil ab. Mia hams g’macht, wia da Lehnthaler g’sagt hat, dann muass in da Scheu’n an Funk’n geben hom, der se verflogn hat, aber mia hams net gemerkt, und dann war’s scho passiert. In Windeseile wurde der Lehnthaler herbeigeholt. Als er die Bescherung sah und die Pfanne des Hirsbauern begutachtete, schüttelte er den Kopf und sagte: Ich hab‘ euch doch g’sagt, in der Scheune müsst’s an Dämonenschutz auf de Pfanne tun! Hab‘ i net? 

Der Hirsbauer konnte nicht anders, als zuzugeben, dass er das vergessen hatte. Oder host as Geld für’n Deckl spar’n wolln? Du Geizkragen du alter!, stichelte der Lehnthaler. Es sei ja wohl klar, dass man in der Scheune kein offenes Feuer bewegen dürfe, sagte einer der Feuerwehrleute. Und überhaupt, was dieser Unsinn solle?, fragte ein anderer.

Die Tage gingen dahin, und der Hirsbauer hatte mit der Versicherung schon alles geregelt. Man war sich schnell einig gewesen, nur das Wichtigste zu Protokoll zu nehmen, und als der Hirsbauer, wie zufällig, dem Schmiedl Toni, das war der Versicherungsvertreter, ein Kuvert zusteckte und lakonisch bemerkte, für dich, damit’st as a wenig besser hast, war im Protokoll nichts mehr zu lesen von einem Ausräuchern nach der Methode Lehnthaler. Am Land, da verstehen sich die Leute eben noch, und brauchen nicht viele Worte, um auszudrücken, was sie bewegt. Eine Hand wäscht immer noch die andere. So war es früher, und so wir es immerzu auch bleiben.

Als sich nun der 5. Januar näherte, und die Lehnthaler-Anhänger mit den Pfannen voller Qualm durch ihre Häuser eilten, begab es sich, dass jener Feuerwehrmann, der damals, als es beim Hirsbauer brannte, eine abfällige Bemerkung tat, wieder voller Hohn am Fenster stand und sich über seine Landsleute lustig machte.

Als er so stand, und des nächtens ein Scheit Holz auf die Glut im Ofen legen wollte, fuhr mit einem Mal ein heftiger Windstoss in den Kamin, schleuderte das noch nicht geschlossene Feuertürchen zurück und stob eine Menge Glut und Asche in den Raum. Verdutzt begriff der Feuerwehrmann blitzschnell, was das zu bedeuten hatte. Da und dort fing es bereits an zu glimmen, und alleine würde er das entstehende Feuer nicht mehr löschen können.

Wieder läutete die Glocke der Dorfkirche ihren Alarm. Feuerwehr und Bauern rückten an, ganz so, wie damals beim Hirsbauern. Lichterloh brannte alles, und es schien, als würden die Flammen immer noch mehr werden. Wie verhext!, rief einer. Ein anderer bemerkte: Dös kommt davon, wenn’s dich lustig machst über alte Bräuch‘! Und noch lange wurde darüber diskutiert und im Wirtshaus palavert, wie man die Dämonen förmlich hineinfahren hat sehen ins Haus des Feuerwehrmannes. Andere haben gemeint, das käme davon, wenn man beim Bau des Kamins und des Ofens Geld sparen wollte. Aber einig waren sich alle: Wenn die Weihnacht wieder nahte und die Rauhnächte vor der Tür‘ stünden, sollte der Lehnthaler das Räuchern übernehmen, denn ein Risiko wollte niemand mehr eingehen.

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