Am Montag, den 11. Mai, haben in diesem Jahr, also 2015, die Eisheiligen Einzug gehalten. Der erste war Mamertus, dann kam Pankratius gefolgt von Servatius, am Donnerstag haben wir dann den Bonifatius und am Freitag macht sich die Kalte Sophie breit. Oder auch nicht, wie all die anderen auch nichts Kaltes gebracht haben, jedenfalls nicht bei uns. Sonne, schwühl ist es und gelegentlich sieht es nachmittags nach Gewitter aus, aber bisher hat sich keines entladen, nichts ist passiert.

Bis heute, dann war es auf einmal vorbei mit der Beschaulichkeit. Abends, halbzehn, es donnert, Blitze zucken und zerschneiden das dunkle Schwarz der Nacht, Wolkentürme bauschen sich auf, unsichtbar, kein Mond, kein Stern, nur ein paar Straßenlampen versuchen zaghaft das Dunkel zu durchdringen. Vergeblich!

Am Dorfplatz beim Schlegel Wirt sitzen drei Männer um einen der runden Tische. Einfache Holztische ohne Tischtuch, einfache Stühle, einfache Leute. Jetzt tät es genau passen, sagte einer von den Dreien. Undeutlich ist das harte, dumpfe Scheppern der abgefeurten Hagelraketen zu vernehmen. Ist zu spät, es hagelt doch schon, bemerkte ein anderer. Grad deswegen, weil jetzt habens ihre Köpf‘ wo anders. Ich meinte die Raketen, sagt der Vorige.

Aus der Ferne drang das wimmernde Auf und Ab der Sirene vom Feuerwehrhaus durch. Die Freiwilligen ham an Einsatz. Sind Keller wieder vollg’laufen. Der Schladminger Schorsch, erster Redner von vorhin, senkte verschwörerisch die Stimme und betonte noch einmal, dass sie es nicht besser erwischen könnten. Genau jetzt passt’s, sagte er nachdrücklich und blickte dabei seinen beiden Kumpanen beschwörend in die Augen. Außerdem is am Donnerstag a no Vatertag, verstehts es! Was für eine Symbolik!, fügte er noch an.

Meinert wegen, stimmte der Vilsmoser Alois zu und schmiss dem Breitenberger Sebastian einen unmissverständlichen Blick zu. Is ja guad, sagte dieser, von mir aus, i bin natürlich auch dabei. Zufrieden nickte der Schladminger Schorsch und erteilte seine Anweisungen.

Das Gewitter war weiter gezogen. Vereinzelt sah man zwar da und dort noch ein gefährliches Wetterleuchten, aber Donnern hörte man es schon nicht mehr. Immer wieder mal wurde die eingetretene Stille von den Martinshörnern der Feuerwehr durchbrochen, die immer noch alle Hände voll zu tun hatte.

So gegen ein Uhr war es, als sich drei dunkle Gestalten der örtlichen Filiale der Raiffeisenbank näherten. In vielen Häusern brannte noch Licht, obwohl die Leute sonst zeitig zu Bett gingen. Früh in die Federn und früh wieder raus, das war für die meisten der tägliche Gang. Aber heute, nach diesem Unwetter, saßen sie noch in ihren Stuben oder hatten wegen des Sturmes mit irgendwelchen Arbeiten zu tun. Die drei Gestalten bemerkte niemand.

Niemand kümmerte sich auch um den weit hin schallenden und für die späte Stunde normalerweise ungewöhnlichen Lärm. Der Sturm, dachten die Leute, denn hören taten sie es freilich schon. Dann kehrte plötzlich Ruhe ein. Der letzte Schlag verhallte. Ein letztes Schlürfen, als würde ein schwerer Gegenstand über den Boden gezogen, dann der Motor eines Fahrzeuges, Lastwagen vielleicht, und dann hörten sie nichts mehr. So zwischen zwei und drei Uhr verlöschten dann auch die Lichter in den Häusern und nur ab und zu war noch ein Martinshorn zu vernehmen. Aber auch das ging schon im Schlaf der braven Leute unter.

Am nächsten Morgen erst sah man, was Sturm und Hagel zurückgelassen hatten. Vereinzelt zerdepperte Dachziegel, auf den Straßen größere und kleinere Äste, drei halbentwurzelte Bäume, vom Hagel zerbeulte Autos und so weiter. Aber eigentlich war es weit weniger schlimm als man erwartet hätte. Den nächtlichen Lärm hatten die wenigen Frühaufsteher schon vergessen, die trotz des Feiertages mit Bus oder Bahn oder dem eigenen Wagen zur Arbeit eilten.

Pünktlich um 08:30 Uhr sperrte der Filialleiter die Raiffeisenbank auf. Eigentlich wäre heute geschlossen, aber er hatte so eine Idee und wollte etwas Neues einführen: zwei Stunden für die Berufstätigen. Sein Slogan: Raiffeisen machts möglich! Ein prüfender Blick, alles war wie immer. Gerade, als der Mann telefonisch im Hauptgeschäft melden wollte, dass alles in Ordnung sei, eine übliche Routine, hörte er jemandes lauten Schrei. Dann noch einer und im Nuh war eine Menge los vor seiner Bank. Ich melde mich gleich noch einmal, sagte er ins Telefon, vor der Bank ist irgend etwas, ich geh‘ mal nachsehen!

Als der Filialleiter, seine genaue Bezeichnung war natürlich nicht Filialleiter sondern Direktor, denn bei der Bank legte man schon Wert auf angemessene Titel, eilends vor die Bank trat, sah er sofort, was den Auflauf verursacht hatte. Drüben am Dorfplatz …!

Ja mi leckst!, rief ein Einheimischer und ein anderer stimmte ein, des konnst laut song (sagen). Das Stimmengewirr liess sich schon sehr bald nicht mehr auf einzelne Worte oder Sätze reduzieren. Alle plapperten durcheinander und nicht wenige, schien es, hatten einen mords Spass. Andere wiederum meinten, dass das ganze eine riesen Sauerei sei.

Mit ein paar Schritten war der Herr Direktor hinüber gelaufen und besah sich die Ursache des Aufruhrs. Auf Anhieb wusste er gar nicht, wie er sich verhalten sollte. Er war ja schliesslich nicht irgend jemand, sondern der Herr Direktor der Raiffeisen Bank, bei der fast alle Leute hier am Ort ihr Konto hatten. Und noch etwas beunruhigte den Herrn Direktor, und das musste er wohl oder übel an die Zentrale melden: Ein von der Bank gestifteter Brunnen war, er rang gedanklich nach Worten, verunstaltet worden, fiel ihm dazu nach einiger Zeit ein.

Jemand hatte mit großem Aufwand die liebreizende junge Frau, aus deren Mund unablässig das Brunnenwasser strahlte, entfernt und durch eine weniger liebreizende männliche Figur ersetzt, aus dessen, der Herr Direktor rang innerlich wieder nach dem passenden Ausdruck, na ja, wie sollte er es denn bezeichnen, aus dessen Pippi, fand er schliesslich als passend, jetzt der Brunnen gefüllt wurde.

In Windeseile hatte sich der Streich, denn mehr konnte es ja wohl kaum sein, herumgesprochen und schnell waren ein paar Zeitungsleute zur Stelle, schossen ihre Fotos und drangen in die Bank, um Näheres vom Herrn Direktor zu erfahren. Sogar das Fernsehen kreuzte auf. Und sie entdeckten auch, was allen anderen bisher entgangen war: eine Tafel am Gesäss der männlichen Figur.

Die Neugierigen und Gaffer drängten um das wasserspeiende Monstrum, um endlich zu erfahren, was hinter dem Ganzen steckte. Einige verstanden es sofort, andere kapierten es erst später, aber allen sprangen die gleichen Lettern in die Augen:

Hier stand einst die erste Quotenfrau der Raiffeisen! Jetzt haben wir sie ausgetauscht, damit die Verhältnisse draussen wieder sind wie drin in der Bank! – Die Gerechten von Bayern –

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