Figuren:

 Wechselhuber Andreas – der Hundsfott

Primelmeier Notburga – die Dorfpomeranze

Überall auf der Welt gibt es Leute, die es besser wissen. Wenn sie es jedoch nach außen kehren, trifft sie nicht selten der Spot der anderen.

Wer hat es gesagt?

Natürlich der Klugscheißer!

Und wenn dem so ist, erfährt das Gesagte meist keine besondere Wertschätzung.

Der Wechselhuber Andreas war so einer. Allerding weniger in der Rubrik Gscheidhaferl oder Klugscheißer, wie man hierzulande auch sagt, als vielmehr mit dem Makel eines Hundsfotts versehen, was aber in der Wertschätzung eher noch schlechter wegkommt.

Was ist geschehen?

Im Geschäft der Primelmeiers kaufen die Leute die Waren des täglichen Bedarfs und mehr. Und weil das schon sehr, sehr viele Jahre der Fall ist, um genau zu sein, bereits der Großvater und der Urgroßvater dieses Geschäft betrieben hatten, vielleicht sogar schon davor, ist die Familie Primelmeier zu beträchtlichem Wohlstand gelangt.

Aber nicht nur dieser Umstand hieß die Herren ehrfürchtig den Hut lüften, wenn es sich des sonntags beim Kirchgang schickte, dass ihr Weg sich mit dem der Primelmeiers kreuzte. Auch wenn sie es nicht eingestanden, war der eigentliche Grund für ihr ehrerbietiges Verhalten eher das Fräulein Tochter, die selbstverständlich, wie alle unverheirateten Töchter, die Eltern zur Messe begleitete.

Die Primelmeier Notburga allerdings, das muss der Vollständigkeit halber erwähnt werden, war nicht bloß irgendeine Tochter, sie war schlicht die Schönste und die Bezauberndste im ganzen Gau. Und es gab nicht einen der Heiratsfähigen und so manch anderen des männlichen Balzvolkes, der sie nicht gerne zur Frau gehabt hätte. Für die zuletzt genannten allerdings war der Zug abgefahren, weil sie entweder schon anderweitig vergeben oder zu alt oder nicht dem gesellschaftlichen Niveau der Primelmeiers entsprachen.

Und genau das wiederum wurmte den Wechselhuber Andreas mächtig. Nicht dass er als Mann unansehnlich gewesen wäre, aber mehr als der Durchschnitt der Burschen hergab, war auch bei ihm nicht auszumachen. Und weil das Geld halt irgendwie immer eine gewisse Rolle spielt, war es um seine Karten auch diesbezüglich nicht gut bestellt. Die bescheidene Landwirtschaft der Eltern ernährte alle zwar redlich und auskömmlich, konnte jedoch mit den Höfen so mancher Nachbarn nicht Schritt halten.

Alles in allem eine missliche Lage…, für den Andreas.

Und so kam es nicht von ungefähr, dass Notburga nach und nach zunächst von wenigen und schließlich von den meisten als Pomeranze bezeichnet wurde.

Das war beleidigend, wie Notburga fand, der natürlich das Getuschel nicht verborgen geblieben war. Sie war alles, aber eine Pomeranze sicher nicht. Der Begriff bezeichnete Mädchen vom Land, die jung und unbedarft waren und deren erötete Wangen an die Farbe reifer Pomeranzen, also Bitterorangen, erinnerten. So oder so ähnlich hatte sie darüber gelesen.

Und selbstverständlich griffen die Abgeblitzten und die noch nicht einmal in Ihre Nähe Gelangten begierig nach jeglicher Schmähung und scheuten sich nicht, kübelweise Dreck über sie auszukippen.

Obwohl von Andreas eingefädelt, nütze ihm die Initiative nichts. Im Gegenteil. War er bisher schon nicht näher an Notburga herangekommen, so war es jetzt nahezu unmöglich. Notburga zog sich nämlich zurück und mied jegliche Örtlichkeiten des gemeinen Volkes, wie sie es nannte.

Dann muss es halt anders gehen, sagte sich Andreas und fing an, darüber zu grübeln.

Und schon bald wurden an den Stammtischen die absonderlichsten Geschichten erzählt. Notburga habe dieses und jenes getan oder Notburga sei in allerlei verwickelt und überhaupt sei sie gar keine Hiesige, weil schon die Mutter nicht von hier sei und erst der Vater…

Das war der Punkt, an dem Notburga schließlich der Kragen platzte und sie beschloss, der Ursache all dieser Diffamierungen auf den Grund zu gehen. Und so wurde sie mit Andreas Wechselhuber bekannt. Natürlich nicht einfach so per Zufall, sondern durch Vermittlung seiner Hochwürden, des Herrn Pfarrers.

Wie auch anderen Orts, zählte der Pfarrer zu den Honoratioren des ländlichen Lebens. Und in diesem besonderen Fall hatte der geistliche Würdenträger nicht die Spur von Bedenken, als er Notburga auf ihre drängenden Fragen hin ungeniert Andreas als den Mann benannte, der über alles Bescheid wüsste. Dazu muss man wissen, dass die Primelmeiers zum einen zu den Spendablen in der Gemeinde gehörten und, auch das darf nicht unter den Teppich gekehrt werden, zum anderen der Herr Pfarrer entgegen aller Gelöbnisse gerne ein Auge auf die weiblichen Reize der feschen Tochter warf. Es war ihm auch bewusst, dass er es diesbezüglich mit der Beichte seiner Sünden nicht so genau nahm und Notburga des nächtens gerne durch seine Traumwelt geisterte.

Wie kommst grad auf mich?, wollte Andreas wissen, als Notburga ihn am Sonntag nach der Messe rundheraus ansprach.

Der Hochwürden meinte, du weißt alles oder kannst zumindest herausfinden, was es mit dem schändlichen Geschwätz auf sich hat.

 Ja, ja, erwiderte der Andreas bedächtig und wiegte sein Haupt grad so, als würde er selbstverständlich aufs Äußerste missbilligen, was da so an Schmutz und Lügen im Umlauf war. Eine Schande ist‘s, fügte er noch an, zog dabei die Stirn in tiefe Falten und verengte die Augen zu messerscharfen Schlitzen, was höchste Konzentration des Nachdenkens signalisieren sollte.

Notburga war beeindruckt und wagte es nicht, den Andreas bei seiner offensichtlichen Gedankenarbeit zu stören.

Mit einem langegezogenen Zischen ließ Andreas schließlich die angehaltene Luft entweichen, nämlich bevor ihm schwindelig geworden wäre, was aber Notburga natürlich nicht wissen konnte, und sagte schwergewichtig: Ich wüsste eine Lösung, aber nicht hier. Sagen wir heut‘ Nachmittag bei der Kuchenresi.

 Die Kuchenresi war ein gern besuchtes Café. Und so war es kein Wunder, dass Andreas Rechnung in diesem Punkt vollends aufging. Blitzschnell wusste es jeder im Ort: Der Andreas und die Notburga waren nachmittags bei der Resi gewesen.

Und wenn zwei junge Leut‘ sich treffen, kann das ja nur eines bedeuten… So entstehen neue Gerüchte und die Nahrung hierfür gab es gratis.

Nachdenklich ging Notburga in ihrem Zimmer auf und ab. Der Andreas hatte zwei Burschen genannt, von denen er gehört habe, dass sie in ein Komplott gegen sie verstrickt wären, dessen Ursache sie selbst sei, weil sie die beiden habe abblitzen lassen. Notburga kannte die beiden sehr gut und mochte sich nicht vorstellen, dass dies stimmen sollte.

Kurzerhand griff Notburga zum Handy. Sie war impulsiv und wenn so manches Abträgliche über sie genau damit hausierte, so stimmte zumindest der Tenor.

Notburga, du kennst uns. Traust du uns diesen Dreck wirklich zu?

 Das war der Punkt. Nicht bei der Kuchenresi, sondern ganz einfach bei sich zuhause hatte sie mit den beiden eine Unterredung geführt.

Dieser Hundsfott Andreas! Notburga begann, sein mieses Spiel zu durchschauen. Pass auf, du Drecksack, das kannst du haben, aber zu meinen Bedingungen!, murmelte sie aufgebracht.

Am folgenden Samstagabend drängte Notburga ins Biwak, ein angesagter Diskoschuppen, nicht oberstes Level, mit Türsteher und so, aber doch schon mehr als etwa nur der Saal eines Gasthofes.

Nur wenige Minuten später sah man auch den Andreas, im Schlepp die Hofzeller Elisabeth, welche bekannterweise seine derzeitige Freundin war. Eng schmiegte sie sich an ihn, um ja bei dem umstehenden Frauenvolk keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

Es brauchte nicht viel und die Stimmung schoss auf den Siedepunkt zu. Hits und Nichthits, je nach Gusto, heizten das Jungvolk auf und der gehörig fließende Alkohol jeglicher Sorte tat das seine und sorgte für rote und schwitzende Gesichter. Bei manchen der Damen konnte leider schon bald das gewählte Makeup mit den Anforderungen dieses ausgelassenen Treibens nicht konkurrieren und zeichnete ungewünschte Spuren in die an sich nicht unansehnlichen Gesichter.

Ja, häi, Andreas!; plärrte es unverhofft in des so genannten Gehör.

Andreas‘ alkoholgefärbte Wangen verloren schlagartig jede Ausstrahlung und stürzten augenblicklich ab in ein fahles Blass, als er realisierte, wer ihn das so unverblümt angegangen war.

Ah, die…, du…, Notburga?, stotterte er fragend, obgleich eine Verwechslung kaum möglich gewesen war.

Ja, ich bin’s. Wolltest du mich nicht zuhause abholen?, fügte Notburga mit einem unverschämt verschämten Blick hinzu, der an Eindeutigkeit nichts offen ließ. Aber ich seh‘ schon, bist ja bereits in Begleitung. Magst uns ned vorstellen?

 Ja, eh…, d‘ Elisabeth. Eine Bekann…., Freundin, korrigierte er sich noch schnell, aber den sensibilisierten Sinnen Elisabeths waren die Feinheiten nicht entgangen.

Nicht eine Freundin, sondern seine…, jedenfalls bis grad eben noch!, ergänzte Elisabeth die verunglückte Vorstellung. Und wer bist nachat du?

I bin die Notburga und hab‘ eigentlich g’meint, er tät mit mir heut ausgehn. Aber wie es scheint, is er halt a bloß so a Hallodri, wie a Dutzend andere. Mit mir geht des eh ned. So an Kasperl wie eam, könnt ich an jeder Hand zehne ham, verstehst?

 Elisabeth verstand und bevor Andreas sich‘s versah, klatschte ihm die flache Hand der (jetzt) Ehemaligen mitten ins Gesicht. Damit‘st no a Andenken hast, du Gischpi. Schleich di und lass di bei mia nimma blicken!

 Grad als er sich schon aus dem Staub machen wollte, ereilte ihn noch Notburgas Ratschlag: Und kipp koan Dreck mehr über mi aus, sonst wird’s noch härter…, für dich!

 Es bleibt noch zu erwähnen, dass alle im Biwak den unrühmlichen Abgang des Andreas mitbekommen haben. Für eine kurze Weile stoppte der DJ nämlich seine schwulstigen Hits und meinte: Pfundig, heut rührt sich was!

Foto: H.K.Reiter/Autor