Die Wochen gingen ins Land und es schien so, als habe sich die Welt am Gymnasium in Dingharting beruhigt. Hin und wieder blitzten zwar kleinere Streiche auf, die aber nicht von Alois und seinen Freunden stammten.  Auch andere Schüler befleissigten sich manchmal eines besonderen Umgangs mit den Lehrern.

An diesem Tag flimmerte die Luft bereits in den frühen Morgenstunden über dem Asphalt der Straßen. Es würde heiss werden, aber würde es ausreichen, um das Thermometer im Zimmer des Rektors exakt um 11:00 Uhr auf über 28 Grad Celsius zu treiben? Dann nämlich würde zur Freude aller eine sogenannte Hitzevakanz ausgerufen. Ein Überbleibsel aus alten Zeiten, aber noch inkraft und praktiziert.

Gegen 10:55 ereignete sich dann ein besonderes, und wie es schien, nicht vorhersehbares Ereignis. Aus unerklärlichen Gründen gab es plötzlich einen donnernden Knall,  wie bei einer Explosion. Der Rektor eilte sofort aus seinem Zimmer, um nach dem Rechten zu sehen. Rauch stieg an der Schulwand empor, der sich nur langsam und widerwillig verziehen wollte. Dann sahen der Rektor und einige andere Hinzugekommene die Bescherung.

Dort, wo einst ein Thermometer an der Wand des Schulhauses gehangen hatte, war nur noch ein schwarzer Fleck zu erkennen, vom Thermometer keine Spur. Auf dem Boden einige Scherben, das war aber auch schon alles. Der Rektor zuckte mit den Schultern, fand aber keine vernünftige Erklärung, wie übrigens auch die anderen nicht.

Zurück in seinem Büro, blinkte dem Rektor schon von Weitem die rote Signaldiode seines digitalen Tischthermometers entgegen. Themperaturwarnung war unterhalb der Diode zu lesen. 32 Grad! Keine Frage, die fällige Vakanz war auszurufen, und der Rektor betätigte umgehend die Sprechanlage. Nur Minuten später sprudelten die Schüler ins Freie. Vakanz, schulfrei!

Alois, wissend lächelnd, und seine Freunde, verließen die Schule gemessenen Schrittes und begaben sich auf direktem Weg ins nahe gelegene Freibad. Dort wurden sie bereits von einem Mädchen aus der Parallelklasse erwartet, die Alois einen Stoffbeutel in die Hand drückte und sagte: Da habt’s eure Badeklamotten. Hat ja prima geklappt. Wir liegen drüben am Becken zwei. Wenn ihr Lust habt’s, dann kommst doch rüber! 

Alois warf seinen Freunden einen triumphierenden Blick zu und erntete dafür ein anerkennendes Nicken. Das war natürlich schon etwas Besonderes, rüber zu den Mädchen. Bist scho a Hundling Alois, sagte einer anerkennend. Alois indessen liess vor seinem geistigen Auge die Geschehnisse noch einmal ablaufen.

Schon zeitig am Morgen hatte er zwei Schweizer Kracher, Überbleibsel von Sylvester, so am Schulhausthermometer angebracht, dass jemand genau fünf Minuten vor elf Uhr nur noch das sichtbare Stück einer Zündschnur anzünden musste und dann bumm. Der Jemand war ein Spezi von Alois aus der Nachbarschaft.

Sofort nach dem Kracher, als alle ans Fenster stürmten, um zu sehen, was los war, huschte Alois aus dem Schulzimmer, überquerte den Flur, lief die Treppe ein Stockwerk nach oben, hin zum Zimmer des Rektors. Wie von ihm richtig vorhergesehen, war das Zimmer leer, als er es unter Umgehung des Sekretariats über den direkten Zugang vom Flur her betreten hatte. Schnell machte er sich am Tischthermometer zu schaffen. Der Deckel an der Rückseite geöffnet, gab den Blick auf die eingelegten Batterien frei und auf ein zusammengelegtes, dünnes Kabel, an dessen Spitze der Themperaturfühler angebracht war. Alois führte das Kabel durch eine Auskerbung im Deckel, schloss diesen wieder, und zog das Kabel vorsichtig in die Länge. Es mochte etwa 50 cm messen, gerade lang genug, um bis an einen Blumentopf zu reichen, der des Rektors Tisch schmückte.

Aus einer Tasche seiner Jacke beförderte Alois ein schmales Glasröhrchen zutage, das mit einer Alufolie als Wärmeisolator überzogen war. Im Glas befand sich eine Flüssigkeit, in die hinein Alois aus einem ebenfalls mitgeführten Briefchen ein Pulver schüttete, das Kabel mit dem Themperaturfühler hineinsteckte und sofort die Öffnung mittels eines kleinen Korkens verschloss. Im Glas fing es an zu schäumen, worauf das Röhrchen sich warm anfühlte. Jetzt noch den Blumentopf angehoben und das Röhrchen von unten durch das Loch für den Wasseraustritt ins Erdreich des Topfes gedrückt.

Als Alois das Zimmer nur wenige Minuten später verliess zeigte das Thermometer bereits 30 Grad Celsius und es würde noch etwas ansteigen, wie Alois wusste. Als er zurück ins Klassenzimmer kam, war die Aufregung wegen des Knalls gerade verebbt und die Schüler setzten sich wieder auf ihre Plätze. Länger hätte er nicht brauchen dürfen. Und dann kam auch schon die Durchsage des Rektors.

Als der geplagte Rektor einige Zeit später wieder einen Blick auf das Thermometer warf, traute er seinen Augen nicht. 27 Grad! Wie war das möglich? Gerade eben noch 32 Grad und jetzt? Dann sah er es! Es dauerte eine Weile, bis das Erspähte Eingang in sein Gehirn fand. Ein Draht, der Blumentopf, das Glasröhrchen! Nicht zu fassen! Man hatte ihn hereingelegt, ausgerechnet ihn, der er stets davon überzeugt war, alle Streiche und Tricks der Schüler zu kennen oder wenigstens zu durchschauen, sollte es tatsächlich noch neue geben.

Anerkennend nickte der Rektor ein paar Mal mit dem Kopf. Sapperlot, da hatte er noch etwas dazu gelernt, aber er würde es niemandem weitersagen. Fein säuberlich machte er deshalb auch einen Eintrag ins Schulbuch, damit es amtlich war. Jedermann konnte es nachlesen: 11 Uhr, 32 Grad, Hitzevakanz!

Eine Folge kommt noch!

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