Wieder einmal naht das Osterfest. Die Kinder sind in den wohlverdienten Ferien, die Eltern nehmen Urlaub und schon gehts ab. In den Süden, nach Italien, Spanien, Griechenland und vielleicht sogar noch weiter. Manche fahren auch an die Nord- oder Ostsee. Man weiss halt nicht, wie’s Wetter wird, und wenn man es weiss, ist es zu spät, dann muss man eben dort bleiben, wo man hingefahren ist.

Die Eltern bestimmen gemeinsam, wohin es dieses Mal gehen soll, und die Mutter entscheidet dann, wohin es wirklich geht. Mit einer kleinen aber wichtigen Einschränkung. War’s nix, das Wetter Mist, das Hotel, reden wir nicht davon, usw., dann lag die letzte Entscheidung auf jeden Fall bei der Mutter. Das ist verbrieft. War aber alles super, selbst die Urlaubsbekannten auszuhalten, dann hatte schon eher der Vater seine Hand im Spiel.

Bei den Schmiedhubers war es nicht anders. Gleich am Samstag, kaum dass die Schulranzen der Kinder in die Ecke geflogen waren, drückte der Vater pünktlich um fünf Uhr morgens den Anlasser. Es ist ja immer so, dass der Vater fährt und die Mutter den Rest erledigt. Getränke, Essen, Kinder bei Laune halten und in früheren Jahren, als es noch keinen Navi gab, selbstverständlich auch mit Hilfe einer Karte navigieren. Und wehe, eine Ausfahrt wurde verpasst oder das ersehnte Hotel nicht gleich auf Anhieb gefunden, dann konnte dies die Urlaubsfreuden schon gewaltig dämpfen. Selbst zu Scheidungen soll es deshalb gekommen sein.

Erst nach Salzburg, dann auf die Katschbergautobahn, immer weiter durch Kärnten, über irgendeinen Pass, durch Slovenien hindurch bis runter nach Kroatien. Das war der Plan. Aber es sollte anders kommen. Kaum hatte der Schmiedhuber Vater den frisch gewaschen und gebohnerten Viertürer auf die Autobahn manövriert, nahm das Desaster seinen Lauf.

Ja sauber, sagte der Vater, haben die da irgendwo ausgerechnet jetzt noch a Baustelle. Immer wenn d’Ferien san! Immer der gleiche Mist! Aber es half nichts. Nur langsam, beinahe in Zeitlupe, konnten sich die Wartenden schliesslich einfädeln. In so einem Fall will ja keiner seinen erkämpften Vorsprung aufgeben und wenn es auch nur eine Autolänge ist.

Hast denn kein Verkehrsfunk mehr g’hört oder im Internet nach’gschaut?, fragte der Vater mit einem gefährlich vibrierenden Unterton in der Stimme die Mutter seiner Kinder neben ihm. Hättest dich doch selber erkundigt, hängst ja sonst auch dauernd im Netz, dass man kaum mehr ein Wort mit dir red’n kann! Oh! Das war stark. Der Vater schluckte schwer und die Kinder auf der Rückbank konnten sehen, wie er sich nur mühsam beherrschte. Kinder im engeren Sinn waren sie eigentlich nicht mehr. Der Peter war dreizehn und die Angelika elf.

Peter stiess Angelika mit dem Ellbogen an und zischte leise: Pass auf, jetzt zerreisst’sn gleich! Kichernd zischte sie zurück: genau! Dann war wieder Ruhe, aber nicht sehr lange, denn der Vater hatte im Rückspiegel natürlich mitbekommen, dass sich seine Sprösslinge über ihn lustig machten. Des reicht jetzt da hinten! Reisst’s euch bloss zamm!, lautete die unmissverständlich hervorgestoßene Warnung des Vaters.

Es werden halt mehr Leut‘ schon zeitig in der Früh losg’farn sein, meinst net?,  erlaubte sich Peter noch anzufügen und dann noch, vielleicht wär’s g’scheiter g’wesen, erst später ins Auto z’steigen. Das ging ja schon gleich gar nicht. Da stellte dieser Rotzlöffel die Autorität seines Vaters infrage. Und prompt brach des Vaters Reaktion über die kleine Gesellschaft herein. Und sie war, wie sollte es auch anders sein, natürlich gegen seine arme Frau gerichtet. Da hast ja ein sauberes Früchterl ranzog’n, sagte er mit zornbebender Stimme.

Und so ging es hin und her. Ein Wort gab das andere. Und so war viel verbale Bewegung im Auto der Schmiedhubers, aber draußen, auf der Autobahn, da tat sich nichts. Der Verkehrsfunk von Bayern 3 brachte schliesslich die zur Bestätigung heiss ersehnte Meldung über den totalen Verkehrszusammenbruch. Verehrte Hörer, säuselte eine freundliche, weibliche Stimme, die Verkehrsredaktion empfielt ihnen, wenn möglich, erst am späteren Vormittag loszufahren oder noch besser, erst am Sonntag. Bumm, das war der Hammer!

Ja sind die denn jetzt völlig verrückt?, brüllte der Schmiedhuber Vater entsetzt, als hätte das Radio an der Missere Schuld. Und schon setzte Sohn Peter noch eins drauf: Hab ich es nicht gesagt? Später hätten wir losfahren sollen, später! Das war zu viel für den leidgeprüften Vater und er empfahl dem Sohn in strengem Ton, bei nächster Gelegenheit mit dem Bus oder Zug nach Hause zu fahren, denn mit so einem unverschämten Lümmel wolle er ganz sicher nicht den sauer verdienten Urlaub verbringen.

Der Mutter reichte es jetzt endgültig. Du mit deiner blöden Schreierei, herrschte sie den Vater, ihren Mann, mit zornbebender Stimme an. Der Bub hat doch recht! Aber du weisst halt immer alles besser, auch wenn es noch so ein Schmarrn ist. Und sie setzte noch hinzu: Damit’st es weisst, du kannst dann alleine weiterfahr’n. Wir drei jedenfalls lassen uns von dir die Laune für die nächsten zwei Wochen nicht verderben!

Nunmehr fand Angelika, dass das doch zu weit ginge und meinte: Also, ich fahr schon mit dem Papa weiter, weil, ich will nicht bei euch dann zuhause rumsitzen, wo nix los ist. Mit einem Mal bewegte sich die Schlange und der Vater gab etwas Gas, um den Anschluss nicht zu verlieren und die sich plötzlich auftuende Lücke zu schließen.

Schaut’s hin, sagte der Vater, wieder so ein Stau, von dem keiner weiss, warum es ihn überhaupt gegeben hat. Und tatsächlich lief der Verkehr von einer Minute auf die andere so, als hätte niemals ein Problem bestanden. Die nächste Raststelle flog vorüber, dann noch eine und keiner wollte mehr zurück nach Hause. Selbst der Vater schien jetzt gut gelaunt und fragte, ob er bald mal eine kleine Pause einlegen solle.

Dieser Satzt war noch kaum beendet, als die säuselnde Stimme aus dem Radio einen Strich durch die Rechnung machte und verkündete, dass die verehrten Autofahrer am Katschbergtunnel leider mit Blockabfertigung rechnen müssten, dies bedauerlicherweise eine gute Stunde Zeit koste, und wer es einrichten könne, möge doch erst am Nachmittag oder besser noch am Sonntag losfahren.

Ja so eine Sch…, entfuhr es dem Vater, aber da können wir jetzt auch nichts machen, bemerkte er in einem erstaunlich versöhnlichem Tonfall, setzte überraschend den Blinker und verließ die Autobahn an der nur wenige hundert Meter entfernten Ausfahrt.

Kommts, sagte er, von so etwas lassen wir uns doch net ärgern und vielleicht gar noch den Urlaub vermiesen! Fahr’n mia raus. Des is a ganz netter Ort, da drüben, und kaufen wir uns a Kleinikeit zum Essen, was meint’s? Was denkt’s ihr, wie oft wegen solcher Anläße bei so manche Leut‘ g’stritten wird? Da möchst net in einem solchen Auto mitfahr’n!

Die Frau und Mutter, Peter und Karin nickten beifällig, und Peter bemerkte noch mit einem Grinsen, wie gut es doch sei, dass solches bei ihnen nicht vorkäme. Ja, ja, sagte der Vater, dabei den Arm seiner Frau tätschelnd, mia san halt eine besondere Familie! Des is schon ein Glück!

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