Der Bleicher Georg hatte es satt. Seine Spezi vom Stammtisch hatten es auch gesagt – letzten Sonntag gleich nach der Kirche. Er wusste gar nicht mehr, wie lange es ihren Stammtisch schon gab. 30 Jahre oder gar schon 40? Als junge Burschen hatten sie ihn ins Leben gerufen. So um die 20 musste er damals gewesen sein. Immer sonntags. Erst in die Kirche, dann zum Bier, das war ihr Motto, damals wie heute.

Er war ein einfacher Mann geblieben, arbeitete immer noch in der gleichen Werkstatt für Landmaschinen bei der er damals die Lehre gemacht hatte. Auf seine Freunde von einst war er stolz. Der Lugner Sepp war Tierarzt geworden, der Anzinger Hubertus Steuerberater und der Pfaffner Erwin ein allseits anerkannter Physiotherapeut. Der halbe Ort lief zu ihm, wenn es da und dort zwickte. Zum ersten Stammtisch waren es noch einige Burschen mehr gewesen, aber mit der Zeit waren sie weggezogen und so hatten sie sich aus den Augen verloren.

Solln’s doch des Gschwerl hintun wo’s woll’n, aber net hierher zu uns, hatte der Hubertus gesagt und sie hatten ihm beifällig zugenickt. Immer des gleiche, meinte der Sepp, die oben in Berlin und die unten in Minga (München) reden g’scheid daher und mir können’s dann ausbaden. Er hatte nichts gesagt, sondern nur wieder genickt und dann doch: Ja, da habt’s recht.

Der Georg hatte sich nie besonders viele Gedanken um Politik gemacht. Seit jeher hat er sein Kreuz bei der CSU gemacht. So wie sein Vater schon und wie es halt auch die anderen tun. Manchmal gesellte sich auch der Pfarrer zu ihnen und pflichtete bei, wenn sie über die Roten schimpften. Wer in Kirch‘ geht und dem Herrn wohlgefällig ist, der kann doch net die Roten wählen, sagte er immer. Und so kamen die Schwarzen bei jeder Wahl auf über 80 Prozent.

Jetzt aber war die Situation ganz plötzlich eine andere. Die Schwarzen und die Roten regierten in Berlin zusammen und waren sich eins, dass die vielen Fremden, die jetzt über die Grenze kamen, auch und gerade aufs Land verteilt werden sollten. Jeder muss seinen Beitrag leisten, sagten sie und überließen es den Landräten, für den nötigen Platz zu sorgen. Und was des kost‘!, hatte der Hubertus noch angefügt.

Der Erwin wiederum hatte gemeint, für sein Geschäft könnte es höchsten gut sein, denn wo viele Leute sind, da gibts auch viele Patienten, sagte er. Auch ein paar Handwerksbetriebe vom Ort waren durchaus der Meinung, das gäb‘ mehr Arbeit, weil: Die müssen doch wo wohnen und so weiter und des müssen wir erst bauen, war ihre Meinung. Und vielleicht kann ich sogar ein paar von denen als Arbeiter nehmen, sagte der vom Sägewerk, macht doch sonst keiner mehr, diese Schinderei.

Der Pfarrer war da rigoros: In mei‘ Kirch‘ kommen mir die nicht hinein, sind doch alles keine Christen. Vielleicht wollen’s sowieso nicht rein, dachte der Georg bei sich. Er ging ja auch nur hin, weil es so der Brauch war. An das, was der Pfarrer da von der Kanzel predigte, glaubte er ohnehin nicht und, wie er meinte, keiner im Ort, wahrscheinlich nicht einmal der Pfarrer selbst.

Aber mit der Nächstenliebe hat das ja auch nix zu tun, oder?, fasste sich der Georg ein Herz und warf, während er sprach, dem Pfarrer einen spöttischen Blick zu. Der, sichtlich perplex ob Georgs Kommentar, erwiderte: Ja spinnst jetzt komplett? Wenn einer partout kein Christ sein will, vorzugsweise ein Katholik, sondern irgend so ein Muslim, also einer, der hinter diesem Allah her rennt und dem seine verwirrten Glaubenssätze für die Wahrheit hält, dann hat der doch bei uns nix verloren. Hab‘ ich net recht? Beifallsheischend blickte der Pfarrer in die Runde.

Da hast recht, meinte der Tierarzt, am Schluss bau’n die uns noch eine Mosche in den Ort und lassen alle Daumen lang ihren Muezzin vom Minarett runter plärren. Eine ganze Weile ging es so hin und her bis schließlich jemand vom Nachbartisch sagte: Wär ja vielleicht gar net so schlecht, dann bräuchten wir uns deinen verlogenen Schmarren net länger anhören und hätten endlich eine Alternative, mein lieber Pfarrer. 

Der Pfarrer sagte nichts, aber sein hochroter Kopf zeigte wie es in ihm brodelte, er aber scheinbar nicht die richtigen Worte fand. Der Steuerberater eilte ihm zu Hilfe und warf ein: Ja freilich, der Niedermeier Andreas von den Grünen. Wer denn sonst? Kannst dich ja mit deine zwei Prozent Wähler hinter dem Muezzin verstecken oder besser noch, kriechst ihm glei eini, dann seit’s eins. Eine neue Kultur sozusagen, gelt!

Brüllendes Gelächter hob an und jetzt war es an dem Niedermeier Andreas, eine passende Antwort zu finden, aber es kam nichts dergleichen. Stattdessen trank er sein Bier aus, bedeutete dem Wirt, die Zeche anzuschreiben und sagte im Hinausgehen noch: As Gschwerl sind net die, die jetzt zu uns kommen, des Gschwerl seit’s scho ihr selber. Denkt’s einmal nach!

In die einsetzende Stille sagte jemand anderer plötzlich: War net der Jesus streng genommen auch ein Flüchtling? Eine Feder hätte man zu Boden fallen hören. Alle starrten auf den Redner und bevor  der Pfarrer noch etwas sagen konnte, fuhr der Mann fort: Ja, war es nicht so, dass der Herodes alle Knaben unter Zwei hat töten lassen? Da haben’s den Jesus schnell weggebracht und versteckt; nach Ägypten sind‘ s geflohen, die ganze Familie mit dem Kind. Stimmt’s net Herr Pfarrer? Siehst des net, heut is es halt net der Herodes, sondern ein anderer Despot, der keine Achtung vor dem Leben hat. Also sieh dich lieber vor, was’d sagst Herr Pfarrer. Ihr alle, passt’s auf, dass ihr mit eurem Geschwätz net denjenigen in die Hände spielt’s, die mir alle miteinander am allerwenigsten hier haben wollen. 

Und wieder fasste sich der Georg ein Herz und sagte laut und vernehmlich: Stimmt genau, Braune ham mir schon genug gehabt, auch hier bei uns und des war ja net grad unsere glorreichste Zeit!

Ja, ich glaub‘, wir sollten wieder zurück zum Normalen und normal ist es doch, dass mir dem helfen, der’s nötig hat oder ned?, bemerkte der Physiotherapeut. Das fand der Georg auch. Schon lange hatte er das oberflächliche Gehetze und Geschwafel seiner Freunde satt. Entweder mir benehmen uns wieder wie sich’s gehört oder wir lösen den Stammtisch auf, sagte der Georg tapfer und spürte, wie ihm ganz warm dabei wurde.

Verdutzt schauten die Freunde auf ihn und auch der Pfarrer hätte nicht darauf gewettet, dass solches soeben geradewegs aus Georgs Mund gekommen war. Lass gut sein, Georg, so haben wir das doch auch wieder nicht gemeint. Freilich, alles ist ein wenig neu, was da auf uns zukommt, aber wir fressen schon keinen, des haben wir doch noch nie getan, warf der Pfarrer ein. Und der Hubertus fügte noch hinzu: Schau’n mir doch erst einmal, was wirklich wird, aber verstossen werden wir schon keinen. Und die Braunen, sagte der Sepp, die sollen sich bloß gleich schleichen, die wollen wir hier schon überhaupt gar net!

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