Am Dreikönigstag enden die Rauhnächte und es ist Brauch, dass die Sternsinger von Haus zu Haus ziehen, um ihre Sternsinger Lieder vorzutragen und ein Gebet zu sprechen. Danach schreiben sie mit geweihter Kreide an die Türbalken die bekannte Segensbitte C+M+B, was bedeutet: „Christus mansionem benedicat“ (Christus segne dieses Haus). Vor das C schreiben sie 20+ und nach dem B +14, womit das Jahr, z.B. 2014, der Segensbitte bezeichnet ist. Die Kreuze erflehen zusätzlichen Segen, und davon kann man ja bekanntlich nicht genug bekommen.

Die Heiligen Drei Könige oder die drei Weisen aus dem Morgenlande, wie sie in den heiligen Schriften gelegentlich auch bezeichnet werden, sollen der Überlieferung nach vor über 2000 Jahren das Jesuskind in seiner Krippe in Bethlehem aufgesucht haben, um ihm zu huldigen. Und darauf soll der Brauch zurückgehen, sagt man.

In Dingharting ist es nicht anders, und doch, wie schon aus früheren Berichten und Erzählungen bekannt, nehmen manche Dinge dort einen anderen Verlauf. Gerade so, als sei Dingharting ein ausgesprochen besonderer Ort für Mysteriöses.

Am Dreikönigstag jenes unheilvollen Jahres also begab es sich, dass der Herr Pfarrer seine Ministranten, junge, kräftige Burschen, aussandte, um als Sternsinger reichlich Spenden einzusammeln. Die benötigte Kreide zum Beschriften der Türbalken wurde in einer eigens hierfür aufwändig zelebrierten Messe geweiht, ebenso das zur Weihe der Häuser reichlich zu verwendende Weihwasser. 

Ein eiskalter Wintertag sei es gewesen, wissen noch ein paar Alte zu berichten. Viel Schnee soll gelegen haben, sodass die Sternsinger die Häuser nur schweren Schrittes erreichten und sie viel länger unterwegs waren als es hätte sein sollen.  Früh am Abend schlich dann langsam die kalte Winternacht ins Land und verschluckte die Sternsinger, wenn sie wieder ein Anwesen hinter sich gelassen hatten.

Nur der Mond und die kalt blinkenden Sterne warfen schwache Schatten der Gestalten in den Schnee. Mutig stapften sie, ein paar Laternen mit sich führend, durch die Nacht, nicht ahnend, an welch‘ unausweichlichem Schicksal sie bald teilhaben sollten.

Ein gutes Stück weiter begrenzte eine alte Scheune den Weg, die hier schon gestanden hatte, als noch keiner der Alten geboren war. Das schwere Tor aus massivem Holz gezimmert, verbarg, was sich darin tat. Vom schwachen Licht einer Kerze etwas erhellt, über die ein matter Glaszylinder gestülpt war, schwärzten drei finstere Gestalten ihre Gesichter mit Russ. Dabei sprachen sie kein Wort, und nur ein schmieriges Grinsen deutete auf ihre Absicht hin.

Als sie mit ihren Vorbereitungen zu Ende waren, löschten sie die Kerze, öffneten das Tor einen Spaltbreit und verschwanden in der Dunkelheit der Nacht. Ihre Silhouetten warfen ein bizarres Bild in den Schnee. Nur dunkle, schemenhafte Ungetüme, ohne Gesichter, wie es schien, unwirklich und unheimlich zugleich, schleppten sie sich vorwärts.

Sie waren den Sternsingern gute sechs oder sieben Anwesen voraus, als sie mit derben Schlägen an die Türe eines Hauses klopften und einer mit dunkler Stimme rief: Hier sind die drei Weisen aus Dingharting und begehren Einlass, gute Leute!  Drinnen im Haus blieb es zuerst still, und gerade, als der Sprecher seinen Spruch erneut aufsagen wollte, hörte man Geräusche und ein Licht ging an.

Die Haustüre öffnete sich und zwei ältere Leute waren zu sehen. Habt’s ein neuen Spruch?,  fragte der Mann, der sichtlich schon um die achtzig war, und seine Frau fügte hinzu: Und wie’d Sternsinger schaut’s es auch net grad aus! Aber da war es schon zu spät. Die Drei mit den geschwärzten Gesichtern drängten die Alten zurück ins Haus und warfen die Türe ins Schloss. Machen wir net lang herum, sagte einer der Eindringlinge. Geld und Schmuck her und zwar ein bisschen plötzlich, fügte er noch hinzu. Und wie von Zauberhand hielt er jetzt einen Stutzen in den Händen und zielte damit just auf die Frau.

Es Dreckhammeln, stammelte der alte Mann mit bebender Stimme und versuchte, sich vor seine Frau zu schieben. Lass des Alter, sonst wird’s dir leid tun und deiner Alten noch mehr. Gebt’s uns was wir wollen, dann sind wir wieder weg!, sagte der Gleiche von vorhin.

Is guad, sagte daraufhin der Alte, ich hol’s, aber dazu muss ich nach oben. Der Redner von eben bedeutete dem Alten, dass er mitkommen wolle und wies die anderen an, solange auf die Frau acht zu geben, dann stiegen sie die steile Treppe hinan, der Alte voraus.

Da, plötzlich ein Gepolter! Dem Alten schien schwindelig geworden zu sein, denn es sah ganz so aus, als würde er rückwärts die Treppe hinunterstürzen und dabei jeden Moment den Mann hinter sich mitreissen. Ja, Kruzifix, konnst denn net aufpassen du oider Depp!, schrie der Mann mit dem Stutzen und versuchte, einen Schritt zur Seite zu machen. Aber auf der schmalen Stiege gab es kein Entrinnen, und so stürzten sie beide hinab. So jedenfalls vermeinten es die unten Gebliebenen wahrzunehmen.

Das Knäuel, das die paar Stufen später unten aufschlug, entpuppte sich aber nur als ein einzelner Mensch, der versuchte, sich mühsam wieder hoch zu rappeln. Da peitschte schon die Stimme des Alten auf die verblüfften Kumpanen nieder, der jetzt noch dazu, wie verhext, den Stutzen führte: Hupf auf’d Seiten Oide, und es bleibt’s wo’s seit’s, sonst druck i ab! Habt’s me verstand’n?

Die Drei rührten sich nicht von der Stelle. Wie angewurzelt verharrten sie in ihren Bewegungen. Nur der Gestürzte stöhnte etwas und meinte, er habe sich den Arm gebrochen. Des macht nix, erwiderte der Alte, wirst am End‘ froh sein, wenn’s dabei bleibt!

Jetzt schlug es wieder an die Tür, und der brave Ruf der Sternsinger ertönte. Lass eine, Oide!, befahl der Alte seiner Frau, die Türe zu öffnen. Schnell waren die Burschen ins Bild gesetzt, und es dauerte nicht lange, und die ungebetenen Gäste waren an Händen und Füssen gefesselt, grad soviel, dass sie noch kleine Schritte machen konnten.

Mit Getöse und Hallo trieben jetzt die Sternsinger die drei Männer zurück zum Dorfplatz, die beiden Alten mit dem Stutzen hinterdrein. Der mit dem gebrochenen Arm jammerte und schrie, dass es eine wahre Freude war. Der Pfarrer kam hinzu und schnell noch andere aus der Nachbarschaft. Bind’s es derweil an den Baum da, sagte einer und wies auf eine der alten Kastanien. Dann verschwanden sie alle nach und nach im Wirtshaus.

Das Bier floss und eifrig wurde beraten, was man denn mit den Frevlern anstellen solle. Übergeben wir sie dem Gendarm, meinte einer. Zu viel Aufwand, meinte ein anderer. Dann lass mas halt steh’n, schlug jemand vor. Und so machten sie es auch.

Als alle nach Mitternacht schliesslich die Wirtschaft verließen, um endlich ins Bett zu kommen, war’s ruhig am Baum geworden. Vielleicht sind’s schon erfroren?, bemerkte einer. So schnell geht’s a wieder net, meinte der Pfarrer und dann doch bedächtig: Obwohl, sie rühren sich schon gar kein Bisschen mehr! Und auch an Atem sieht man nimmer, fügte ein anderer hinzu.

Also gut, schneiden wir sie ab und legen’s in Kirch‘, da ist’s net ganz so kalt, und wenn’s dem Herrn gefällt, dann hat er ein Erbarmen und sie wer’n scho‘ wieder munter werden, und wir lassen sie dann laufen. Und ein weiterer fügte hinzu: Und wenn net, dann wird’s morgen scho‘ jemand finden. Einbrecher halt! Sind selber Schuld! 

Ja mei, bemerkte der Herr Pfarrer noch: Wer sich mit dem Teufel einlässt, der darf sich auch nicht wundern! Alle nickten beifällig, als sie die steifen Gestalten hinüber in die Kirche schleppten.

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