In Bayern, da haben wir immer einen König g’habt, plärrte der Innozenz mit hochrotem Kopf in die vom Bierdunst geschwängerte Stammtischluft und hieb mit geballter Faust auf den von feiner Nässe überzogenen Biertisch. Bei derart vorgetragener Bekundung schwappte dabei ein Teil des würzigen Bieres aus den vollen Krügen über und harrte darauf, von einem der Joppenärmel der um den Tisch Versammelten aufgewischt zu werden.

Jeden Freitag, Karfreitag wegen der Pietät vielleicht ausgenommen, kamen die Leut‘ seit ewigen Zeiten ins Wirtshaus zum Karteln und Politisieren. Und genauso lang gab’s auch den Stammtisch. Es gab derer selbstverständlich einige. Oft trugen die Stammtische tiefgründige Bezeichnungen wie Schwarze Hand oder eben auch König Ludwig, an dem sich dann in wechselnder Besetzung die Königstreuen einfanden, gerade so, wie auch an diesem Freitag.

Ja, ja, pflichtete die Runde bei, a Kini hat allerwei scho zu uns g’hört, weil, was anderes gibt’s ja gar net bei uns in Bayern. So ging es hin und her und immer mehr des edlen Gerstensaftes floß durch die durstigen Kehlen. Des woaßt aber scho, dass mir seit 1918 a monarchiefreie Republik san, oder?“, warf einer lautstark in die Runde. Und davor waren wir eine konstitutionelle Monarchie, wenn du des überhaupt aussprechen kannst, verstehen tust du es sowieso net, hab i net recht?“, brüllte wieder ein anderer seinen Beitrag über den Tisch.

Das was starker Tobak und sofort schaltete sich Innozenz ein, der trotz des vielen Biergenusses so etwas wie eine natürliche Autorität ausstrahlte. Halt di z’ruck, du rei’gschmekter Preißenschädel. Bist grad vor net amoi zwanzig Jahr von irgendwoher oberhalb der Donau  zuazong. Der so gescholtene nahm sich ein Herz und sagte: Ich mein ja nur, solang wir immer so einen Ministerpräsidenten hätten, wie den von damals, weißt schon, den , wo die Frau eine Brauerei mitgebracht hat, meine ich, solang bräuchten wir doch gar keinen König. Wir müssten nur darauf aufpassen, dass immer richtig gewählt wird!

Der Innozenz schaute verdutzt auf den Sprecher, setzte gerade zu einer geharnischten Antwort an, als sich eine Stimme vom Nebentisch her meldete: Aber meine Herren, versuchte ein Gast die seiner Meinung nach drohende Schlägerei zu verhindern, sich deswegen so aufzuregen, das bringt doch nichts!

Dieser Gast musste ein Nichteinheimischer gewesen sein, denn sonst hätte er besser seinen Mund gehalten. Offenbar nicht wissend, was er mit seinem Kommentar vom Nebentisch aus anrichten würde, nahm das Unheil seinen Verlauf.

Die völlig normale Reaktion des Stammtisches trat ein, wie es auch nicht anders hätte sein können. Schlagartig verstummte das Geschrei und wie auf Kommando ruckten aller Köpfe in Richtung des sprachlichen Eindringlings. Ob zugereister Preuße oder in der zehnten Generation Ansäßiger, jetzt waren sie eins, und niemand und schon gar nicht einer des Bayerischen Dialektes nicht mächtiger Mensch war befugt, sich derart unerwünscht in ihren Diskurs einzumischen.

Innozenz hob seine gewaltigen Unterarme auf den Tisch, drückt seinen mächtigen Körper vom Stuhl hoch und blieb für ein oder zwei Sekunden in leicht gebückter Haltung stehen, während seine vom Alkohol leicht geröteten Augen den Nachbartisch fixierten, dann grollte sein donnernder Bass hinüber zu dem Subjekt seiner Aufmerksamkeit: Hat di wer g’fragt, du dürrlocherts Grischperl? Bist hier, weilst was echt Bayerisches erleben willst? Des konnst glei hom!, und mit einem Satz war der Innozenz schon drüben am Tisch und packte den jetzt sichtlich eingeschüchterten Mann mit der Linken am Hemd und ließ seiner Rechten freien Lauf, deren geballte Faust sich bereits den richtigen Landeplatz in des unglücklichen Mannes Gesicht aussuchte.

Jetzt war es in der Gaststube mit einem Mal mucksmäuschenstill. Wie gebannt waren alle Augen auf das bevorstehende Drama gerichtet, das die Faust des Innozenz gleich in wenigen Augenblicken anrichten würde.

Der mit Worten Mutige, aber jetzt sichtlich erbarmungswürdige Mann versuchte noch, die Arme schützend vor’s Gesicht zu reißen, aber jede Abwehrreaktion wäre zu spät gekommen, hätte der Innozenz wirklich zuschlagen wollen. Der aber richtete sich vollends auf, packte den Mann vor sich mit beiden Händen an den Revers seines Sakkos, hob ihn etwas an und setzte ihn dann ganz behutsam wieder auf seinen Stuhl.

Weißt, sagte er dabei, mia in Bayern sind ausgesprochen friedliebend, nur, wenn sich einer ungefragt einmischt, des mögen wir halt gar net! Hast des verstanden? Der Mann beeilte sich seine Zustimmung durch Nicken kundzutun. Bring eam no a Maß, rief der Innozenz hinüber zum Wirt, klopfte dem Mann noch freundschaftlich auf die Schulter und setzte sich wieder zu seine Kumpane am Stammtisch.

Brüllendes Gelächter hob an und verzagt stimmte nach einer Weile sogar der Mann vom Nachbartisch mit ein. Jetzt war der Dampf am Stammtisch allerdings raus und das Für und Wider der noch anstehenden Themen wurde beinahe in einer fast normalen Lautstärke geführt. Der Wirt brachte eine Runde Kirschgeist, zeigte auf den Nachbartisch und sagte lakonisch: Von eam!

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