Wir schauen hin, aber wir sehen es nicht mehr, bemerkte einer der Männer bevor er einen kräftigen Zug aus seinem Keferloher nahm. Ja, ja, der Keferloher, dachte der Mann, während er sich dem Biergenuss hingab. 1808 soll er in jener Ortschaft bei München erfunden worden sein, deren Namen er trägt. Ein Tonkrug, der das süffige Bier ganz genau in der richtigen Temperatur hält. Da kommt kein Glaskrug hin, sagte der Mann ganz in Gedanken. Verwundert schauten seine Tischnachbarn auf und wussten nicht so recht, was er damit meinte. Ah…, ich hab nur laut gedacht, weil’s Bier halt nirgendwo raus besser schmeckt. Da nickten ihm alle beifällig zu.

Das, was du vorhin g’sagt hast, das stimmt schon irgendwie, meinte einer in die winzige Pause hinein.  So gaben sie sich eine ganze Weile gegenseitig recht oder widersprachen sich. Es ist halt soviel, was wir jeden Tag hören und sehen, meinte eine andere Stimme. Da hast wohl recht, sagte der mit dem Keferloher, aber deswegen mußt ja net dein Hirn abgeben, wie an Mantel an der Garderobe. Das war natürlich starker Tobak und der so gescholtene quittierte diese Bemerkung mit einem sauren Blick auf seinen Nachbarn und brummelte noch eine anzügliche Zote hinterher.

Lasst’s gut sein, ging einer, der bisher noch gar nichts gesagt hatte, dazwischen und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass, ob der Erschütterung, das gelbe Elixier aus so manchem Krug schwappte. Irgendwie habt’s doch beide recht, net wahr?, sagte er und fügte an, wie schwer es doch für den einfachen Bürger einerseits sei, herauszufinden, was wahr ist und andererseits es doch auch stimme, dass man gar nicht mehr richtig hinhöre, wenn im Fernsehen wieder von neuen Katastrophen und Gräueltaten berichtet wird.

Die Gemüter erhitzten sich immer mehr und die Gesichter glänzten, wenn das Bier durch ihre durstigen Kehlen strömte. Man hätte grad meinen können, die Leut‘ am Tisch wären wochenlang durch die Sahara gelaufen oder der Ausschank von Bier würde künftig unter Strafe gestellt werden.  Aber weder das Erste noch das Letztere traf zu.

Wisst ihr, dröhnte ein tiefer Bass, dass immer mehr falsche Geschichten in Umlauf gebracht werden, grad über’d Ausländer und was sie angeblich so alles anstellen. Der rechts neben dem Keferloher nickte, machte eine Handbewegung, als wolle er das eben Gesagte beiseite wischen und meinte: Aber genau so viele G’schichten gibt’s, wo sie in der Zeitung gar nix drüber schreiben. Weil’s dazu angehalten werden, ergänzte ein anderer, von der PolitikJa genau, warf ein weiterer ein, damit mir immer eine schöne heile Welt haben. Und so entzündete sich ein neuer Wortwechsel und noch mehr Bier floß in die Köpfe und noch aufgeladener wurde die Stimmung.

Seit einiger Zeit hörte ein gut gekleideter Mann am Nebentisch den Wortgewaltigen aufmerksam zu. Schließlich stand er auf, ging hinüber, und sagte: Gestatten, Freihofer, mein Name. Interessante Thesen, die Sie da vertreten. Deckt sich das meiste durchaus mit meiner Meinung, insbesondere, was die vielen Ausländer anbelangt.

Die Hitzköpfe schauten den Eindringling eine Weile an, dann sagte der Keferloher: Wer hat Sie denn jetzt um Ihre Meinung g’fragt? Was mischen Sie sich denn überhaupt ein? Spürbar frostig war es plötzlich am Tisch der Freunde. Ich meinte ja nur, warf der Hinzugekommene zaghaft ein. Wegen der Ausländer halt. 

Da sind’s bei uns falsch. Wir haben nix gegen Ausländer, sagte einer aus der Runde. Und schon gleich gar nix gegen solche, die arbeiten. Und bei uns arbeiten viele Ausländer auf dem Land, meinte ein anderer. Was glauben’s denn, wer heut‘ noch die schwere Feldarbeit macht? Ja, aber…, versuchte der Fremde einen Einwand. Setzen’s Ihnen wieder an ihren Tisch und geben’s a Ruh!, sagte der Keferloher mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.

Von dem, was wir reden hat der doch keine Ahnung, hörte der Gutgekleidete jemanden sagen, als er sich wieder an seinem Tisch niederließ. Und er vernahm noch, dass man in Bayern durchaus tolerant sei, aber es sich nicht nehmen lasse, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu äußern. Was will er denn, des Grischperl, hörte der Mann eine andere Stimme sagen, will er uns am End vielleicht gar aufhetzen?

Jetzt konnte es sehr leicht und auch sehr schnell brenzlig werden, soviel wusste der Mann schon. Man hatte ihn sogar davor gewarnt, sich als Fremder in örtlich Belange einzumischen. Selbiges würde im Bayernland meistens nicht gut ankommen. Also stand er auf, legte einen Schein für seine Zeche auf den Tisch und beeilte sich, das Lokal zu verlassen.

Seht’s es, wieder einer weniger, der die Leut‘ blöd anmacht und ihnen den Kopf verdreht, bis‘ am Schluss gar nimmer wissen, was eigentlich los ist, sagte der Bass. Alle nickten und einer meinte schließlich noch: Jetzt, wo kaum mehr Flüchtling über’d Grenze kommen, werden’s ja wahrscheinlich das Asylantenheim gar net erst in Angriff nehmen, was meint’s?

Sollen sie es doch ruhig bauen. Wer weiß, wozu mir des net no amal brauchen können. Ja, man könnt es später vielleicht umfunktionieren. Genau, zum Beispiel könnten wir da doch sehr gut unsere Saisonarbeiter einquartieren. Die aus Polen und wo sie sonst noch herkommen. Wär‘ halt praktisch, wenn’s alle katholisch wären. 

Und so ging es noch weiter hin und her. Pragmatisch waren sie halt die Einheimischen. Was man nicht abwenden kann, so ihre Devise, mit dem muss man sich arrangieren, sonst funktioniert nix und am Ende bleibst gar noch selber auf der Strecke.

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